Orquesta Filarmonica de Bolivia
Music Director: Miguel Salazar
Artistic Mentor: Leonard Elschenbroich
gegründet 2013
Als ich 2012 in Lateinamerika auf Tournee war, bat mich eine Bekannte, mit Miguel Salazar (damals 27) und seinem kleinen Orchester ein Konzert in Bolivien zu spielen. Die Gruppe bestand aus etwa 15 Musikern, darunter keiner über 30. Da sie keine Bläser hatten, mussten die durch eine Pianistin ersetzt werden. Leider hatte es im Dach des Saales, in dem der Flügel aufbewahrt wurde, ein Loch und Tage lang in das Instrument geregnet. Ich sollte mit ihnen das Cellokonzert von Saint-Saëns spielen, das mit einem einzelnen Fortissimo-Akkord im Orchester beginnt. Als ich zur ersten Probe kam, war ich so erschrocken von diesem Orchestereinsatz, dass ich selber kaum einsetzen konnte. Energie, Leidenschaft, Ehrgeiz und ein Brennen für die Musik, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich wusste von dem Moment an, dass diese Musiker jede Unterstützung verdient hatten und dass ich vorerst dafür verantwortlich sein müsste. Die künstlerische und administrative Leitung trug Miguel allein, und den Kartenverkauf, die Pressearbeit, Saalmiete etc. übernahmen die Musiker selbst. Es gab keine klassische Konzertreihe in der Stadt, keine Abonnenten, und dennoch war das Konzert nicht nur ausverkauft, sondern es mussten sogar einige in der Schlange anstehende Besucher draußen bleiben.
Im Jahr darauf (2013) gründeten wir, zusammen mit der großzügigen Unterstützung der Hilti-Foundation, das Orquesta Filarmonica de Bolivia. Diesmal spielten wir mit zugereisten Musikern aus dem ganzen Land, La Paz, Tarija, Sucre, Santa Cruz. Und bei unserem ersten Konzert waren wir bereits 50 Musiker und spielten nun in Cochabamba, einer kleinen Stadt auf 2.500 Meter Höhe über dem Meer, vor 500 Konzertbesuchern. Noch ein Jahr darauf waren wir 90 Musiker, inzwischen mit bolivianischen Emigranten, die eigens für das Konzert ins Land zurückkehrten, aus Heidelberg, Oxford, Newcastle, Houston oder Wien.
Diesmal spielten wir in einem Saal mit 900 Plätzen, und es kamen über 1.000 Besucher, die sich teilweise eigene Stühle mitgebracht hatten oder stehen mussten. Es war ein Riesenerfolg.
Für mich ist das die größte Freude, mitzuerleben, mit welchem Einsatz die jungen Musiker bei den Projekten dabei sind. Es gibt in Bolivien viele Streiks, dazu oft Lkw-Blockaden auf Zufahrtstraßen, sodass die Musiker manchmal nach zwölfstündiger Busfahrt mit ihren Instrumenten lange Strecken laufen mussten, um zur Probe zu kommen. Man muss sich nur vorstellen, wie sich ein europäisches Orchester in der Situation verhalten würde. Diese Musiker erinnern uns daran, dass es ein Privileg ist, Musik zu spielen.
Bolivien hat in Lateinamerika eigentlich die älteste klassische Tradition. Im 18. Jahrhundert haben die spanischen Jesuiten, damals im Urwald der Chiquitania, Musik eingeführt und auch vor Ort komponiert.